Dieter  Hildebrandt

Dieter Hildebrandt

* 23.05.1927
† 20.11.2013
Erstellt von Lausitzer Rundschau
Angelegt am 30.01.2014
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Über den Trauerfall (2)

Hier finden Sie ganz besondere Erinnerungen an Dieter Hildebrandt, wie z.B. Bilder von schönen Momenten, die Trauerrede oder die Lebensgeschichte.

„Mit ihm ist eine ganze Epoche gestorben“

30.01.2014 um 11:16 Uhr von Lausitzer

Deutsches Kabarett nach Dieter Hildebrandt: kaum noch Akzeptanz auf großen Bühnen und im Fernsehen

 

Dieter Hildebrandt war so etwas wie der Letzte seiner Art: ein Kabarettist, der jahrzehntelang ein Massenpublikum erreichte. Früher lachte man über ihn, heute über Mario Barth. Als Hildebrandts Stimme für immer verstummte, ging eine Epoche zu Ende. 

Der 3. Februar 1959 ging in die Geschichte ein als „the day the music died“: der Tag, an dem die Musik starb. Damals kamen die Musiker Buddy Holly, Jiles P. Richardson und Ritchie Valens bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Für das deutsche politische Kabarett ist der 20. November 2013 so ein Tag, der Tag mit der Nachricht vom Tod Dieter Hildebrandts. „Er war das Kabarett“, schreibt „Spiegel Online“.

 

Viele Kollegen und Weggefährten sehen das genau so – selbst die, die selbst auch Kabarett machen. „Er war in seiner Art, Kabarett zu machen, Maßstab setzend. Er war einmalig“, sagt beispielsweise Bruno Jonas, der Hildebrandt im legendären ARD-„Scheibenwischer“ erst zur Seite stand und ihn dann beerbte. „Mit Dieter Hildebrandt ist einer letzten Großen, nein Riesengroßen in unserer Branche gegangen“, schreibt Kay Sebastian Lorentz vom „Kom(m)ödchen“ in Düsseldorf.

 

„Dieter Hildebrandt war das Gewissen Deutschlands“, sagt Luise Kinseher. Viele äußern sich ähnlich: „Moralische Instanz“, „unbestechlicher Wächter unserer Gesellschaft“. Über wen aus der jüngeren Generation derer, über die Deutschland heute lacht, wird man künftig so etwas sagen können? Über Mario Barth? Cindy aus Marzahn? Oder vielleicht Stefan Raab?

 

Hildebrandt und den „Scheibenwischer“ – früher kannte das jeder. Und selbstverständlich lassen sich auch heute noch ähnliche Formate im Fernsehen finden – gerne in den dritten Programmen der ARD. Der „Schlachthof“ des Bayerischen Fernsehens ist so ein Beispiel oder die „Mitternachtsspitzen“ im WDR. Das ganz große Mainstream-Publikum erreichen diese Sendungen aber selten.

 

Die ZDF-Kabarettsendung „Neues aus der Anstalt“, die sich eigentlich über ganz gute Quoten freuen konnte, steht mit neuen Gesichtern vor einem Neustart. Claus von Wagner und Max Uthoff übernehmen. Ein Popularitätsgrad wie heute Barth und Raab und früher eben Hildebrandt aber ist ihnen kaum zu unterstellen. Klassische Kabarettsendungen führen heute im öffentlich-rechtlichen Fernsehen eher ein Schattendasein, sind etwas für Liebhaber.

 

„Politik bündelt nicht im gleichen Maße die Kommunikation, wie sie das früher getan hat“, sagt der Medienwissenschaftler Wolfgang Mühl-Benninghaus von der Humboldt-Universität in Berlin. „Das hat nicht zwangsläufig etwas mit politischem Desinteresse zu tun, sondern eher damit, dass die Themenpalette breiter geworden ist.“ Das Private ist längst politisch.

 

„Es ist ja ein Missverständnis, dass nur derjenige, der über Politik redet, auch Politik meint. Unser Leben ist voller Politik“, sagte Hildebrandt selbst kurz vor seinem 85. Geburtstag im vergangenen Jahr. „Es ist nur so, dass es inzwischen bei den Comedians den Hang dazu gibt, nur noch über die Unterschiede zwischen Mann und Frau zu sprechen. Das langweilt mich natürlich.“

 

Auch wenn in allen großen Städten eine mehr oder weniger lebendige Kabarett-Szene auf kleinen Bühnen besteht – wer sich heute im Fernsehen lustig machen will über Politik, über „die da oben“, die Hildebrandt selbst so gerne genüsslich auseinandernahm, der muss sich andere Formen einfallen lassen, meint Medienexperte Mühl-Benninghaus. „Die klassische Theaterform stößt heute im Fernsehen kaum noch auf Akzeptanz.“ Die „heute-show“ im ZDF mit Oliver Welke sei ein gutes Beispiel dafür, wie es auch heute möglich sei, sich massentauglich über Politiker lustig zu machen. „Auch die Show ist ein Unikat.“

 

Ob die Show an die Qualität eines Dieter Hildebrandt in seiner besten Zeit heranreicht, steht auf einem anderen Blatt. Ex-Bundespräsident Richard von Weizsäcker schreibt in der „Süddeutschen Zeitung“: „Ohne Kabarettisten, ohne Kabarettisten wie ihn, kann aus der Politik nichts werden.“ Helmut Dietl, Regisseur der Kult-Serie „Kir Royal“, in der Hildebrandt den Fotografen Herbie spielte, sagt: „Mit ihm ist eine ganze Epoche gestorben.“ Ottfried Fischer sinniert über die Zukunft der Münchner Lach- und Schießgesellschaft, die Hildebrandt einst mitbegründete: „Auch in Zukunft werden viele Leute spätestens in der Pause fragen: Wann kommt denn jetzt endlich der Hildebrandt?“ 

 

Von Britta Schultejans 

Kabarettist Dieter Hildebrandt gestikuliert am 10.04.2012 in Hamburg.

30.01.2014 um 09:52 Uhr von Lausitzer
Foto Kabarettist Dieter Hildebrandt gestikuliert am 10.04.2012 in Hamburg. für Dieter  Hildebrandt